Die Präventive Konservierung in der Praxis – Eine Weiterbildung zum Indikatortest nach Oddy. Ein Nachbericht.

Ein über 100 Jahre bekanntes und spätestens seit den 1980er Jahren immer stärker in den Fokus der Museumsfachwelt gerücktes Thema stellt die Schadstoffproblematik in Museen dar. Eine hochkomplexe und schwierige Angelegenheit, die auch für Restauratoren nicht immer leicht zu überschauen ist.

Schadstoffe, welche sensible Kunst- und Kulturgüter angreifen, aber auch Mitarbeiter wie Museumsbesucher beeinträchtigen können, haben viele verschiedene Quellen. Der Eintrag kann von außen ins Innere des Museums erfolgen; in der Luft und durch den Mensch. Doch auch die Objekte selbst, die Raumhülle und die Ausstellungmaterialien können als Verursacher in Frage kommen.

Schadstoffe können in jedem Aggregatszustand vorliegen. Häufige Vertreter sind: Säuren wie Essigsäure, Schwefelsäure oder Ameisensäure, Aldehyde insbesondere Formaldehyd, Ketone, Alkohole, Kohlenwasserstoffe wie Toluol, Giftrückstände von Bioziden (z.B. PCP, DDT, Lindan), ferner Salze, Lipide und Stäube aller Art. Viele im Museum vorkommende Schadstoffe gehören in der Regel zu den sogenannten VOCs, den flüchtigen organischen Stoffen. Diese Stoffe werden als Lösemittel, Additive oder Weichmacher bestimmten Materialien zugefügt. Im Falle von Holz kommen sie als Eigensubstanz in Form von Aldehyden, Terpenen und Carbonsäuren natürlich vor.

Oft verstecken sich die Schadstoffe daher in Verkleidungen oder Anstrichen von Wänden und Ausstellungsaufbauten, in den Weichmachern von Dicht- bzw. Klebematerial und Kabelummantelungen wie sie im Vitrinenbau und den Vitrinenausstattungen zum Einsatz kommen oder in Kartonagen, Verpackungen und Holzteilen der Lager- und Aufbewahrungssysteme in Depots.

In vielen Fällen ist es so, dass die Objekte entweder im direkten Kontakt mit einem emittierenden Material stehen oder über eine längere Zeitspanne von schadstoffbelasteter Raumluft umgeben sind.

Die zum Teil irreversiblen Folgen für die Objekte können Korrosionen, Auflagerungen, Zersetzungserscheinungen wie Staubzerfall oder Klebrigkeit, Flecken und Verfärbungen sein. Der Umfang der Schädigung sowie sein Voranschreiten hängt immer von der Anfälligkeit des Objektmaterials, der Art, Einwirkungsdauer und Intensität der Schadstoffe als auch von der Anwesenheit gewisser Katalysatoren wie den Klima- und Lichtparametern ab.

Diese Faktoren müssen bei der Museums- und Ausstellungsplanung Berücksichtigung finden. Die aufregendste Ausstellungsinszenierung bringt nichts, wenn das wertvolle, oft einmalige Kernstück der Ausstellung gefährdet ist – das Objekt. Der Einklang zwischen Nutzen, ästhetischen Anforderungen, Gesichtspunkten der Präventiven Konservierung und nicht zuletzt dem zur Verfügung stehenden Budget muss gefunden werden. Ideallösungen sind häufig teuer, daher sollten Kompromisse eingegangen werden. Gerade wenn es um die Finanzierung von präventiven Maßnahmen geht(,) bekommen viele Museumsrestauratoren Probleme höhere Ausgaben zu rechtfertigen oder sie dem Verständnis der Kollegen anderer Fachgebiete ausreichend nahe zu bringen. Im Workshop wurde von einigen Teilnehmen beklagt, dass sie entweder am besten immer ad hoc eine Antwort auf Fragen in Bezug auf geeignete, schadstoffarme Ausstellungs- und Lagermaterialien haben sollen. Oder sie werden im Gegenteil in Ausstellungsvorbereitungen oder Depotumgestaltungen kaum einbezogen bzw. bei Bedenken an bestimmten Materialien nicht weiter ernst genommen. Das scheint, gerade in kleineren Museen, ein gängiges Dilemma vieler Restauratoren zu sein. Dabei ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Mitarbeiter im Museum in vielerlei Hinsicht von großer Bedeutung. Das Wissen und die Erfahrung vieler ergänzt sich – genau das sollte unter Kollegen eigentlich wertgeschätzt und ernstgenommen werden. Die Präventive Konservierung ist im Hinblick auf mögliche Folgekosten und die für alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche immer wichtiger werdende Forderung nach Nachhaltigkeit nicht zu unterschätzen. Dies zu vermitteln ist allerdings häufig nicht leicht.

 

Ich sehe was, was du nicht siehst – Methoden der Analyse von Schadstoffen in Museen

Instrumentarien die den Restauratoren helfen Schadpotentiale aufzudecken, gegebenenfalls zu visualisieren und dementsprechend zu kommunizieren gibt es mittlerweile einige.

Grundsätzlich unterscheidet man in aktive und passive Methoden der Schadstoffuntersuchung. Die aktiven Testverfahren beproben die Raum- oder Vitrinenluft oder geben Testkörper direkt in eine Emissionsmesskammer. Die Luft wird qualitativ mit Hilfe von Gaschromatographie und Massenspektroskopie analysiert. Diese Messungen sind durch den hohen Aufwand und die benötigten technischen Geräte sehr kostenintensiv. Oft genügt schon der konkrete Hinweis, dass sich Schadstoffe in der Objektumgebung befinden. Dies lässt sich mit passiven Untersuchungsmethoden u.a. mit Passivsammlern, Glassensoren, Korrosionsdosimeter usw. überprüfen. Über einen bestimmten Zeitraum nehmen sie Schadstoffe in unkontrollierten Mengen aus der Umgebung auf. Diese Verfahren sind zwar ungenau, aber man erhält bereits eine Aussage, ob Schadstoffe vorhanden sind. In manchen Fällen kann man auf bestimmte Schadstoffgruppen schließen, was eine weitere Feindiagnostik im Labor vereinfachen kann.

Ein sehr praxisrelevantes Vorgehen ist der Indikatortest nach Oddy[1]. Es handelt sich dabei um ein beschleunigtes Korrosionstestverfahren. Zum Einsatz kommen Metallkupons aus Kupfer, Blei und Silber, welche auf Schadstoffe in der Gasphase reagieren. Aus den Reaktionen lassen sich Rückschlüsse auf Art und Umfang der Emission schließen. So reagiert Silber beispielsweise auf Schwefelverbindungen mit dunklen, auf Chloridverbindungen mit weiß-gelben Verfärbungen. Blei reagiert z.B. besonders stark bei organischen Säuren.

Durch den vergleichsweise geringen Material- und Zeitaufwand, bei gleichzeitig guter Handhabbarkeit und Aussagekraft ist der Oddy-Test recht kostengünstig. Aber man darf die Nachteile nicht vergessen: fehlende Standardisierung, subjektive Auswertung und die fehlende Abdeckung einiger Schadstoffe. Zudem muss ein Material spätestens nach vier Jahren erneut getestet werden, da viele Hersteller Änderungen an den Rezepturen und Zusammensetzungen ihrer Produkte vornehmen, ohne darauf hinzuweisen.

Vor allem im englischsprachigen Raum findet das Verfahren Anwendung. In Deutschland ist der Test zwar durchaus bekannt, aber in der gängigen Praxis noch kaum verbreitet. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin fanden in den letzten Jahren umfangreiche Forschungen zum Oddy-Test, seiner Standardisierung und Auswertung statt.

Einmal im Jahr bietet die HTW interessierten Restauratoren und Museumspersonal eine Weiterbildung zum Indikatortest nach Oddy in den Räumlichkeiten des Fachbereichs Konservierung und Restaurierung/Grabungstechnik an. Die diesjährige Veranstaltung fand vom 04.04. bis 05.04.14 statt.

Nach einer herzlichen Begrüßung durch die beiden Dozentinnen Frau Prof. Dr. Alexandra Jeberien und Frau Dipl.-Rest. Hildegrad Heine, der obligatorischen Vorstellungsrunde, bei der sich die 12 Teilnehmer etwas besser kennenlernen konnten, ging es mit der Einführung in die Schadstoffproblematik los. Nach einer kurzen Kaffeepause wurde von Frau Prof. Dr. Jeberien erörtert, was man genau unter Luft- und Materialschadstoffen versteht. Um bestens gestärkt in den Nachmittag zu gehen, an dem es eine einführende Vorstellung des Oddy-Tests durch Frau Heine, seinen Prinzipien, Möglichkeiten, aber auch Grenzen und dem benötigten Equipment weiterging, gab es in der Mensa der HTW ein ausgiebiges Mittagessen, das hier, gemessen an anderen Hochschulmensen, ruhig lobend erwähnt werden kann. An die Theorie schloss sich direkt die Praxis im Hochschullabor an. Dazu wurden die mitgebrachten Materialproben[2] samt Referenzproben gesichtet und die Kursteilnehmer in kleine Arbeitsgruppen aufgeteilt. Nun erfolgte an den jeweiligen Stationen des Labors Schritt für Schritt die Präparierung der Proben und der Reagenzgläser. Bei jedem Arbeitsgang ist dabei penibel auf Sauberkeit zu achten. Jede Verunreinigung des Proben- und Testmaterials kann zu einem verfälschten Endergebnis führen.

Um die Reagenzgläser und Stopfen für den Oddytest herzurichten, müssen jeweils sog. Kupons von 35×10 mm Größe aus Silber-, Blei- und Kupferfolie mit einer Metallschere geschnitten und mit einem Glasfaserstift gereinigt werden. Danach werden Rückständen auf den Kupons sofort mit superreinem Aceton entfernt und zwischen Filterkarton getrocknet. Im Anschluss werden sie mit einer Pinzette in den Silikonstopfen geschoben, der zuvor mit dem Skalpell mit entsprechenden 5 mm tiefen und 10 mm langen Einschnitten versehen wurde. In jeden Stopfen kommt jeweils ein Kupon aus Silber, Blei und Kupfer. Dabei sollte sich der Bleikupon immer in der Mitte befinden. Neben dem zu beprobenden Material kommt noch ein kleines mit 0,5ml bi-destilliertem Wasser befülltes Reagenzglas in den Testaufbau. Dieses dient im geschlossenen Reagenzglas dazu eine relative Luftfeuchtigkeit von 100% zu erzeugen.

Wenn alle Testkomponenten ordnungsgemäß präpariert sind, wird das Reagenzglas mit dem Silikonstopfen fest verschlossen und in einen Reagenzglasständer gestellt. Es ist nochmals zu kontrollieren, dass die Metallkupons weder sich noch die Glaswand berühren. Die fertig gestellten Proben kommen dann für 28 Tage[3] bei 60°C in den Ofen, der in dieser Zeit auf keinen Fall mehr geöffnet werden darf. Da die Stopfen sich unter Umständen lockern oder herausgesprengt werden können, hat es sich bewährt sie während dieser Zeit zu beschweren. Mit diesem letzten Arbeitsschritt und dem Schließen der Ofentür ging der erste spannende Fortbildungstag zu Ende.

Am folgenden Samstagvormittag gab es einen letzten Theorieteil zum Thema Minderung von Schadpotentialen durch Frau Prof. Dr. Jeberien. Der Rest des 2. Tages gehörte der Auswertung und Interpretation der Testergebnisse im Labor. Da die Teilnehmerproben noch weitere 27 Tage im Ofen bleiben mussten, wurden die Metallkupons früherer Tests zur Übung der Auswertung genutzt. Zuerst sollten die Teilnehmer die möglichen optischen Veränderungen an den Kupons eigenständig beurteilen und im Anschluss in der Kleingruppe diskutieren. Alle Beobachtungen, was Testbedingungen, Korrosionsprodukte, Verfärbungen, Geruch etc. betreffen, wurden genauestens in einem Protokoll festgehalten. Dabei gibt es drei mögliche Auswertungsergebnisse: P (permanent geeignet, z.B. in Dauerausstellung oder im Depot), T (temporärer Einsatz, z.B. Wechsel- oder Sonderausstellungen), U (ungeeignet). Im Idealfall gibt es keine Veränderungen am Metall. Dann kann man daraus schließen, dass das Probenmaterial nichts emittiert, was das jeweilige Metall retrospektiv das Objekt angreift. Die Kennzeichnung erfolgt dann mit P. In manchen Fällen zeigte jeder Kupon einen anderen Zustand. So konnte beispielsweise Kupfer als P, Silber als T und Blei als U eingestuft werden. Das Endergebnis und die Entscheidung darüber, ob ein Testmaterial zum Einsatz kommen sollte, richtet sich nach dem Kupon der am schlechtesten abschneidet. Hat eine Auswertung P, P, U ergeben, kann das Testmaterial als ungeeignet identifiziert werden. Ebenso sollten bei vielen T-Ergebnissen das Nutzen-Risiko-Verhältnis gründlich gegeneinander abgewogen werden. Denn auch hier wird etwas ausgegast, wenn auch in abgeschwächter Form.

Auffällig war bei der Auswertung, auch wenn das Gros der Kupons richtig gedeutet wurde, die Meinungen zum Teil stark auseinander gingen. Es braucht für die Auswertung des Tests eine gewisse Routine, um die Ergebnisse richtig zu interpretieren.

Abschließend wurde nochmal über die Pros und Kontras des Tests diskutiert. Einige Teilnehmer waren nach dem Kurs zuversichtlich, in ihren jeweiligen Häusern eine Möglichkeit zu finden, regelmäßig in Eigenregie Materialien mit dem Oddy-Test zu überprüfen und demzufolge künftig eine bessere Argumentationsgrundlage zu haben. Der Hinweis der Dozentinnen zum Zusammenschluss mehrerer musealer Einrichtungen einer Region zur Kostensenkung bzw. –aufteilung, stieß auf breite Zustimmung. In den Hamburger Museen wird dieses Konzept seit einiger Zeit erfolgreich umgesetzt. Es wäre wünschenswert, wenn diesem Vorbild mehr Museen folgen und verstärkt Oddy-getestete Materialien zum Einsatz kommen würden.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Weiterbildung sicher für alle gelohnt hat. Die Inhalte waren anschaulich erklärt und aufgearbeitet, wobei auf eine ausgewogene Mischung zwischen Praxis und Theorie geachtet wurde.

Nicht zuletzt der interdisziplinäre Austausch der Teilnehmer aus Restauratoren verschiedener Fachrichtungen und Nicht-Restauratoren machte die Veranstaltung zu einem Erlebnis.

Leider fand dieser Kurs wohl vorerst das letzte Mal statt. Es bleibt zu hoffen, dass sich noch weitere Fortbildungen zu Themen der Präventiven Konservierung und dem Oddy-Test anknüpfen, um Restauratoren und ihre Arbeitgeber für dieses wichtige Thema sensibilisieren.

 

 

Franziska Schott

 

 

[1] Entwickelt von Andrew Oddy in den 70er Jahren am British Museum. Seither wurde das Verfahren permanent weiterentwickelt. Es gibt Bemühungen um eine standardisierte Vorgehensweise. Das British Museum hat zudem eine Liste von Oddy-getesteten Materialien online gestellt.

[2] Festmaterialien z.B. Papier, Karton, Watte, Polstermaterial etc. müssen auf 2g genau abgewogen werden.

Farben, Lacke, Leime etc. müssen auf PET-Folie aufgestrichen und für den Test ein 6x12cm großes Stück zugeschnitten werden. Es ist bei Leimen darauf zu achten, dass eine Ablüftung von min. 48 h unter einer Absauganlage stattgefunden haben muss.

[3] Die 28 Tage bei 100% rLF simulieren rein rechnerisch 15 Monate bei Normalbedingungen.

Weiterbildung am Wochenende – Die Präventive Konservierung in der Praxis

Eine Weiterbildung zum Indikatortest nach Oddy

In Museen, Archiven und Sammlungen finden sich häufig Materialien (Farbanstriche und Baustoffe, Verpackungsmaterial, etc.), welche Schadstoffe beinhalten und in Form  sogenannter VOCs (engl.: volatile organic compound(s), dt.: flüchtige, organische Verbindungen) ausgasen. Das wiederum kann sich negativ auf die Sammlungsobjekte oder die Gesundheit der Mitarbeiter und Besucher auswirken. Empfindliche Oberflächen von Ausstellungsobjekten und Kunstwerken können durch emittierte Schadstoffe oder Verbindungen, die die eigene Substanz mit diesen eingehen, angegriffen und verändert werden. Ein Kreislauf der Schädigung kann einsetzen. Menschen können bei dauerhafter Belastung unter dem sog. „Sick-Building-Syndrom“ leiden.

Die Präventive Konservierung mit dem Schwerpunkt auf der Erfassung und Bewertung der Luft- und Materialschadstoffe wird daher immer wichtiger, um den nachhaltigen Schutz von Kunst- und Kulturgütern im Ausstellungs- und Lagerbereich zu gewährleisten, aber auch alle Personen die damit in Kontakt kommen zu schützen.

Der zweitägige Kurs thematisiert den umfassenden Aufgabenbereich der Präventiven Konservierung in seiner angewandten Form. Es werden Methoden zur Erfassung von Luft- und Materialschadstoffen und deren Vermeidung bzw. Verminderung vermittelt. Als essentielles Instrument der Präventiven Konservierung wird der  Indikatortest nach Oddy unter Laborbedingungen angewandt. Die TeilnehmerInnen werden befähigt, das aus den Luft- und Materialschadstoffen resultierende Gefahrenpotential zu untersuchen, zu bewerten und entsprechende Lösungen, mit diesem umzugehen, zu erarbeiten.

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